Die Rolle von Emotionen in der Psychotherapie
- info6388146
- Nov 24
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Emotionen sind keine Störungen der Vernunft – sie sind ein elementarer Teil unserer menschlichen Intelligenz. In der Psychotherapie gelten sie nicht als Störfaktoren, sondern als Wegweiser: Sie zeigen uns, was bedeutsam ist, was fehlt oder was geheilt werden möchte

Was sind Emotionen eigentlich?
Emotionen sind komplexe Reaktionen auf bedeutsame innere oder äußere Ereignisse. Sie umfassen körperliche, kognitive und motivationale Komponenten also z. B. Muskelanspannung, Gedankeninhalte und Impulse zum Handeln. Evolutionsbiologisch betrachtet haben Emotionen eine klare Funktion: Sie helfen uns, in wichtigen Situationen schnell und angemessen zu reagieren. Nach Paul Ekman zählen zu den Basisemotionen unter anderem: Freude, Wut, Angst, Ekel, Traurigkeit und Überraschung. Diese universellen Reaktionsmuster lassen sich in allen Kulturen beobachten und sind tief in unserem Nervensystem verankert.
Warum unterdrücken wir unsere Gefühle so oft?
Viele Menschen haben gelernt, ihre Gefühle zu unterdrücken, zu rationalisieren oder gar nicht erst wahrzunehmen. Gründe dafür können sein:
Gesellschaftliche Normen („Reiß dich zusammen“)
Familiäre Prägung („Bei uns wird nicht geweint“)
Traumatische Erfahrungen („Gefühle sind gefährlich“)
Überlebensstrategien („Wenn ich nichts fühle, kann ich nicht verletzt werden“)
Doch was wir verdrängen, verschwindet nicht – es wirkt weiter im Untergrund: in Form von Anspannung, Erschöpfung, innerer Leere oder psychosomatischen Beschwerden.
Wie wirkt emotionale Verarbeitung in der Psychotherapie?
Ein zentrales Ziel der Psychotherapie ist es, Emotionen wieder ins bewusste Erleben zu holen – und ihnen einen sicheren Raum zu geben. In der Verhaltenstherapie und insbesondere in der Schematherapie oder emotionsfokussierten Therapieansätzen arbeiten wir gezielt mit den Gefühlen der Patient*innen.
Typische Methoden sind:
Imaginationstechniken (z. B. der sichere Ort, innere Kind-Arbeit)
Stuhldialoge (z. B. zwischen dem Kritiker und dem verletzlichen Anteil)
Körperwahrnehmung (z. B. „Wo spürst du das Gefühl im Körper?“)
Affektlabeling (Gefühle benennen – z. B. „Das ist Wut, nicht Traurigkeit.“)
Das Ziel: nicht „kontrollierte“ Emotionen, sondern integrierte – Gefühle, die fließen dürfen, ohne zu überfordern.
Was sagt die Forschung zur emotionalen Verarbeitung?
Studien zeigen, dass emotionale Offenheit und Emotionsregulation wichtige Prädiktoren für den Therapieerfolg sind. Eine Metaanalyse von Pascual-Leone & Greenberg (2007) bestätigt, dass therapeutische Fortschritte besonders dann stattfinden, wenn Emotionen zuerst aktiviert und dann transformiert werden.Auch neurobiologisch lässt sich dieser Effekt nachvollziehen: Wenn wir unsere Gefühle benennen, verändert sich die Aktivität in der Amygdala (unserem „emotionalen Alarmzentrum“) und im präfrontalen Kortex (verantwortlich für Selbstkontrolle). Diese Veränderung schafft Raum für Integration und neue Handlungsspielräume.
Fazit: Emotionen sind keine Schwäche, sie sind Wegweiser und in der Psychotherapie lernen wir nicht, unsere Emotionen nicht abzuschalten sondern ihnen zuzuhören. Denn hinter jeder Emotion steckt eine Botschaft: Ärger zeigt ein verletztes Bedürfnis, Wut weist auf eine Grenze hin, Trauer ehrt den Verlust. Wenn wir uns erlauben zu fühlen, entsteht eine tiefere Verbindung zu uns selbst und genau das ist die Grundlage jeder nachhaltigen Veränderung.
Quellen:
Pascual-Leone, A., & Greenberg, L. S. (2007). Emotional processing in experiential therapy: Why “the only way out is through.” Journal of Consulting and Clinical Psychology, 75(6), 875–887.
Ekman, P. (1999). Basic Emotions. In T. Dalgleish & M. J. Power (Eds.), Handbook of Cognition and Emotion.
Lieberman, M. D. et al. (2007). Putting feelings into words: Affect labeling disrupts amygdala activity in response to affective stimuli. Psychological Science, 18(5), 421–428.




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