
Persönlichkeitsstörung
Wie bemerke ich eine Persönlichkeitsstörung?
Persönlichkeitsstörungen sind tief verwurzelte, überdauernde Muster im Denken, Fühlen und Verhalten, die zu innerem Leiden und Problemen im sozialen oder beruflichen Leben führen.
Typische Merkmale:
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Starre Beziehungsmuster (z. B. Misstrauen, Abhängigkeit, Nähe-Distanz-Probleme)
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Starke Selbstzweifel oder instabiles Selbstbild
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Emotionale Dysregulation (z. B. intensive Stimmungsschwankungen)
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Impulsivität, Rückzug, Wutausbrüche oder Selbstschädigung
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Schwierigkeiten, Kritik zu tolerieren oder Verantwortung zu übernehmen
Betroffene erleben sich oft als „zu sensibel“ oder „anders“ – oder stoßen immer wieder auf ähnliche Konflikte.
Wie häufig sind Persönlichkeitsstörungen?
Persönlichkeitsstörungen sind relativ häufig – sie werden jedoch oft spät erkannt.
Laut Studien (z. B. Tyrer et al., 2022; WHO, 2023):
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Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung: ca. 10–13 %
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Höhere Raten in klinischen Stichproben
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Am häufigsten: emotional-instabile (Borderline), ängstlich- vermeidende, narzisstische und zwanghafte PS
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Erste Anzeichen zeigen sich meist im Jugendalter
Viele Betroffene leiden lange unter den Folgen, bevor sie eine Diagnose erhalten.
Neurobiologie von Persönlichkeitsstörungen
Auch bei Persönlichkeitsstörungen finden sich neuronale Korrelate.
Neurobiologische Befunde (u. a. bei Borderline-PS):
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Überaktivität der Amygdala (verstärkte emotionale Reaktion)
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Verminderte Aktivität im präfrontalen Kortex (Impuls- und Emotionsregulation)
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Geringere Dichte in frontolimbischen Netzwerken
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Dysbalance im serotonergen und dopaminergen System
Diese Veränderungen können durch Psychotherapie positiv beeinflusst werden.
Ursachen – Wie entstehen Persönlichkeitsstörungen?
Die Entwicklung erfolgt im Zusammenspiel genetischer und psychosozialer Faktoren.
Häufige Einflussfaktoren:
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Frühe emotionale Vernachlässigung oder Missbrauch
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Chronisch instabile Bezugspersonen oder unsichere Bindungserfahrungen
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Temperamentsfaktoren (z. B. emotionale Sensitivität, Impulsivität)
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Traumatische Erfahrungen in Kindheit oder Jugend
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Fehlende Möglichkeiten, adaptive Bewältigungsstrategien zu erlernen
Persönlichkeitsstörungen sind keine „Charakterschwächen“, sondern nachvollziehbare Anpassungen an belastende Lebensbedingungen.
Wie hilft Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen?
Psychotherapie gilt als wirksamste Methode zur Veränderung dysfunktionaler Persönlichkeitsmuster.
Bewährte Verfahren:
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Schematherapie: Arbeit mit inneren Anteilen und maladaptiven Mustern
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Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT): besonders bei Borderline-PS (Emotionsregulation, Achtsamkeit)
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Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT): Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung
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Kognitive Verhaltenstherapie bei spezifischen PS (z. B. zwanghaft, vermeidend)
Ziele sind mehr Selbstkontrolle, stabile Beziehungen und ein kohärenteres Selbstbild.
Medikamente bei Persönlichkeitsstörungen
Medikamente behandeln keine Persönlichkeitsstörung direkt – sie können jedoch begleitende Symptome (z. B. Depression, Angst, Impulsivität) lindern.
Einsatzbereiche:
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SSRI bei affektiver Instabilität, Angst oder Zwängen
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Stimmungsstabilisierer (z. B. Lamotrigin) bei Impulsivität
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Antipsychotika in niedriger Dosierung bei starker innerer Anspannung
Medikamentöse Behandlung erfolgt durch Fachärzt*innen.
Warum ist Online-Therapie bei Persönlichkeitsstörungen sinnvoll?
Online-Therapie kann auch bei Persönlichkeitsstörungen effektiv sein – insbesondere bei stabiler Lebenssituation.
Vorteile:
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Kontinuität trotz Wohnortwechsel oder Reisen
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Niedrigschwelliger Zugang – besonders bei Scham oder Rückzug
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Gute Wirksamkeit in stabilisierenden und schematherapeutischen Settings
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Flexible Terminplanung, keine langen Anfahrtswege
Bitte beachten Sie:
Eine akute Suizidalität stellt eine Kontraindikation für Online-Therapie dar. In solchen Fällen ist eine sofortige persönliche Abklärung über den psychiatrischen Notdienst oder im stationären Setting erforderlich.
Wann sollte man sich Hilfe holen?
Wenn Sie…
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sich wiederholt in schmerzhaften Beziehungsmustern wiederfinden
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unter starker innerer Anspannung oder Instabilität leiden
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das Gefühl haben, sich selbst nicht zu verstehen
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emotionale Krisen Sie häufig aus der Bahn werfen
…kann Psychotherapie Struktur, Orientierung und nachhaltige Veränderung ermöglichen.
Quellen & Studien
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Tyrer, P. et al. (2022). Epidemiology and classification of personality disorders. The Lancet Psychiatry.
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WHO (2023). International Classification of Diseases – ICD-11: Personality Disorders.
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Bateman, A. & Fonagy, P. (2021). Mentalization-based treatment for personality disorders. World Psychiatry.
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Arntz, A. et al. (2020). Schema therapy for borderline personality disorder. Behaviour Research and Therapy.
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Stoffers-Winterling, J. et al. (2023). Psychotherapy for borderline personality disorder: Cochrane review. Cochrane Database.
